Innenpolitische Pattsituation: Frankreich erhöht Druck auf den Libanon
Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian befindet sich derzeit zu einem Besuch im Libanon, um Gespräche mit libanesischen Führern zu führen. Er ist erneut beauftragt worden, die monatelange innenpolitische Pattsituation zur Bildung einer neuen Regierung in dem von der Wirtschaftskrise heimgesuchten Land zu beenden.
Am Donnerstagmorgen fand in Beirut ein etwa 30-minütiges Treffen zwischen Le Drian und dem libanesischen Präsidenten Michel Aoun statt, berichtete Al Jazeera. Außerdem soll Le Drian auch mit Parlamentspräsident Nabih Berri zusammenkommen. Nach Angaben der französischen Botschaft im Libanon ist keine öffentliche Erklärung geplant.
Der französische Außenminister sagte bereits im Vorfeld seiner Reise am Mittwoch, er werde den libanesischen Politikern bei seinem Besuch in Beirut eine "scharf formulierte Botschaft" übermitteln, und drohte mit Strafmaßnahmen gegen die Anführer des Libanon, die den "politischen Fortschritt" zur Bildung eines neuen Kabinetts verhinderten.
Not clear if France can succeed in its latest attempt to bring about a deal on a cabinet - many believe a deal in #Lebanon linked to: US-Iran talks in Vienna, Saudi-Iran talks in Baghdad and reported Saudi-Syria talks in Damascus https://t.co/8aLfGvdCHg
— Zeina Khodr (@ZeinakhodrAljaz) May 6, 2021
Seine Reise folgt nur wenige Tage, nachdem Frankreich als ehemalige Kolonialmacht den Druck auf die politische Führung des Libanon erhöht und mit der Erlassung von Einreisebeschränkungen gegen einzelne Verantwortliche begonnen hat. Denn diese Funktionäre blockierten angeblich die Bemühungen um eine Lösung für die politische und wirtschaftliche Krise des Libanon. Er drohte zudem, zusammen mit anderen Ländern noch weitergehende Maßnahmen zu beschließen.
Allerdings präzisierte er nicht, wer von den derzeitigen Sanktionen betroffen ist. Bislang gab es auch keine offizielle Ankündigung, welche Maßnahmen tatsächlich ergriffen worden sind – wenn überhaupt – und gegen wen diese gerichtet sind. Französische Beamte hätten sich, so Reuters, geweigert, Kommentare abzugeben oder Einzelheiten mitzuteilen.
Es ist allerdings unklar, inwieweit die Maßnahmen gegen einzelne Personen die innenpolitische Pattsituation im Libanon überwinden könnten. Das Hauptproblem der Sanktionen ist nämlich, dass sie insbesondere jene Kräfte treffen dürften, die trotz ihrer korrupten Neigungen eher gen Westen ausgerichtet sind. Diese Angehörigen der libanesischen Führung verfügen oft über einen europäischen Zweitpass, besitzen Immobilien oder Bankkonten in Europa und lassen ihre Kinder an westlichen Universitäten studieren. Die Hisbollah-Funktionäre und ihre proiranischen Verbündeten dürften die Sanktionen dagegen wenig schmerzen, weil sie keine politische oder sonstige Kontakte mit Westen pflegen.
Die zerstrittenen libanesischen Parteien konnten sich bislang nicht auf ein neues Kabinett einigen. Die Gräben zwischen und innerhalb der verschiedenen Kräfte scheinen unüberbrückbar zu sein. Das Problem liegt insbesondere darin, dass Frankreich und dessen westliche Verbündete keine wirklichen Vermittler bei der Regierungsbildung im Libanon sind, da sie sich nur bei bestimmten prowestlichen Kräften durchsetzen können, während andere Akteure wie die Hisbollah davon ausgehen, dass die Libanesen ihre eigenen Probleme selbst überwinden sollen, ohne von Paris bevormundet zu werden.
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