Einfluss Russlands und Chinas wächst: Ex-Außenministerin Albright für mehr US-Präsenz auf dem Balkan
In rund zwei Monaten soll ein neuer US-Präsident ins Weiße Haus in Washington einziehen. In den ehemals jugoslawischen Republiken wird schon seit Wochen darüber debattiert und analysiert, ob dies denn auch für die Region etwas Neues mit sich bringe. Während vor allem in Sarajevo die Wahl Joe Bidens mit Jubel empfangen wurde, reagierte Belgrad zurückhaltend.
So leuchtete etwa das Rathaus in der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas nach Verkündung von Bidens Wahlsieg durch US-Medien Mitte November in den Flaggen der USA und Bosnien-Herzegowinas. Auch die Gesichter von Biden und Alija Izetbegović, dem ersten bosnischen Präsidenten und Anführer der bosnischen Muslime während des Bürgerkriegs (1992–1995), strahlten vom Gebäude. Darüber stand: "Bosnien erinnert sich".
Gemeint war Bidens Engagement auf dem Balkan in den 90er-Jahren. Damals noch US-Senator von Delaware, forderte er unter anderem die Aufhebung des "unmoralischen" Waffenembargos gegen die frühere jugoslawische Teilrepublik. Biden setzte sich damals für mehr finanzielle und vor allem militärische Hilfe für bosnische Muslime und Kroaten ein, um den bosnischen Serben, die er als kriegstreibende Kraft ansah, Paroli bieten zu können. Der Jubel über seinen Sieg fiel im serbischen Teil von Bosnien-Herzegowina entsprechend gering aus.
Auch in Belgrad gab es vorwiegend nur übliche Gratulationen. Die serbische politische Führung soll eher auf den scheidenden US-Präsidenten Donald Trump gesetzt haben. Doch nun wird analysiert, was denn das Weiße Haus mit Biden als Hausherrn für Serbien bedeuten könnte. Viele aus der politischen Szene erinnern sich noch an Bidens flammende Appelle während des Kosovokrieges und der NATO-Bombardierung Jugoslawiens 1999, noch härter gegen die Serben vorzugehen. Er warb gar für den Einsatz von US-Bodentruppen und die "Besetzung des Landes im Stile von Japan und Deutschland".
.@JoeBiden 1999 zum @NATO-Krieg in Jugoslawien: "Das ist kein totaler Sieg. Wir hätten Bodentruppen einsetzen sollen, Belgrad erobern und eine Besatzung wie in #Japan oder #Deutschland etablieren sollen." #USAelection2020#JOEBIDEN2020https://t.co/nDWFYK9Fg1
— Florian Warweg (@FWarweg) November 9, 2020
In den vergangenen fast 20 Jahren hatte Washington sein Engagement in den Ländern Ex-Jugoslawiens eher zurückgefahren. Man überließ das Feld der Europäischen Union – allen voran Deutschland und Österreich. Belgrad hatte sich derweil stets geweigert, die 2008 selbst ausgerufene Unabhängigkeit seiner Provinz Kosovo anzuerkennen. Einen NATO-Beitritt strebt Belgrad ebenfalls nicht an.
Auch in Bosnien-Herzegowina ist aus Sicht der transatlantischen Allianz kein richtiger Fortschritt zu erkennen. Die drei Völker – Bosniaken, Serben und Kroaten – verfolgen politisch unterschiedliche Strategien. Die Korruption im Land ist enorm, Arbeitslosigkeit und Vetternwirtschaft führten in den letzten Jahren zu Massenabwanderung. Durch immer neue Verschuldung "sichert" sich das Land sein wirtschaftliches Überleben. Vor allem aber die vehemente Weigerung der bosnisch-serbischen Führung mit Milorad Dodik an der Spitze, notwendige Schritte in Richtung eines NATO-Beitritts zu unternehmen, wird in Brüssel als die "notwendigen Reformen" bremsender Faktor betrachtet. Auch Dodiks Rufe nach einer Abspaltung der serbischen Teilrepublik Republika Srpska und seine guten Beziehungen zu Russland werden nicht gutgeheißen.
Nun werden auch in Washington Rufe nach einem Umdenken laut. So forderte die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright eine stärkere Präsenz der USA auf dem Westbalkan. Die heute 83-Jährige, die von 1997 bis 2001 unter US-Präsident Bill Clinton im Amt war, forderte einen Schulterschluss mit der EU, um die "anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Probleme der Region zu lösen".
Dem designierten US-Präsidenten Biden riet sie, die "grassierende Korruption" in den Ländern zu bekämpfen, die "die politischen Institutionen lähmt und die Rechtsstaatlichkeit in der gesamten Region untergräbt".
Bei einer Anhörung im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, bei der es um Empfehlungen für die Balkanpolitik an die designierte Regierung unter Biden ging, warnte sie zudem vor dem wachsenden Einfluss Chinas und Russlands in der "für die USA strategisch so wichtigen Region". So sagte sie diesbezüglich:
"Wir haben diesem Thema nicht die nötige Aufmerksamkeit gewidmet und das Gefühl gehabt: 'Na ja, wir haben alles getan, was wir konnten'."
Albright zufolge "destabilisieren" Russland und China die Region. Besonders Moskau untergrabe in Serbien die Demokratie, um das Land auf diese Weise vom Westen zu entfernen. Von der künftigen US-Außenpolitik forderte Albright, die noch nicht gelösten Probleme in der Region doch noch zu lösen. "Die demokratische Entwicklung der Länder soll vorangetrieben und unterstützt werden." Notfalls auch mit einer härteren Herangehensweise. So sollen jene, die notwendige Reformen durchführten, belohnt werden. Die anderen wiederum sollen unter Druck gesetzt werden.
Für Belgrad dürfte dies künftig mehr Engagement Washingtons für die Unabhängigkeit des Kosovo bedeuten. Albright betonte in Washington bereits, dass Serbien den Weg des Kosovo zum eigenständigen Staat nicht "blockieren" sollte.
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