International

Selenskij will die Russischsprechenden der Ukraine endgültig entrechten

Perfide: Nach europäischer Kritik an der Diskriminierung der Minderheitensprachen in der Ukraine ließ Präsident Selenskij Gesetzesänderungen erarbeiten, die leichte Verbesserungen beinhalten. Eine versteckte Übergangsklausel schließt aber Russisch nicht nur von diesen Verbesserungen aus, sondern entzieht Russen auch die bisherigen Rechte.
Selenskij will die Russischsprechenden der Ukraine endgültig entrechtenQuelle: Gettyimages.ru © tumsasesedgars

Von Tatjana Montjan

Das Selenskij-Regime will den Russisch sprechenden Ukrainern und der ethnischen Minderheit der Russen im Land endgültig die noch verbliebenen Reste des eigentlich in der Verfassung verbrieften Rechts auf freie Nutzung der russischen Sprache entziehen. 

Genau das ist der Zweck des Gesetzentwurfs Nr. 9610, der vom Selenskij-Tross unter der Leitung von Alexandr Kornienko in das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, eingebracht wurde. Mit dem Gesetzentwurf werden einige Änderungen an dem bereits für sich genommen völlig unmoralischen (und das ist nicht nur meine Meinung, sondern unter anderem die der Venedig-Kommission) Gesetz über nationale Minderheiten vorgenommen.

Die Änderungen an sich sind rein kosmetischer Natur: So wird beispielsweise vorgeschlagen, dass die Sprachen nationaler Minderheiten in Pflegeheimen und Unterkünften für Opfer häuslicher Gewalt verwendet werden dürfen. Es soll auch erlaubt werden, kulturelle Veranstaltungen und Konferenzen in den Sprachen der nationalen Minderheiten abzuhalten und an Orten, an denen "Vertreter nationaler Minderheiten einen bedeutenden Teil der Bevölkerung ausmachen", die Texte von Schildern und Anzeigen in der Sprache dieser nationalen Minderheit zu dublieren. 

Diese kleinen Verbesserungen für die ethnischen Minderheiten der Ungarn, Rumänen und Polen (Verbesserungen gegenüber dem derzeitigen Stand, vor dem Maidan waren ihre Rechte durch ein großzügiges Gesetz über regionale Minderheitensprachen geschützt, welches der Maidan nach seinem Sieg als Erstes abschaffte) sind jedoch nicht der Zweck der Gesetzesänderung. Wie so oft wird das Wichtigste in den Übergangsbestimmungen versteckt.

Diese sehen ausdrücklich vor, dass während des Kriegszustandes und sechs Monate danach Bürger, die "ihre ethnische Herkunft mit dem Staat identifizieren, der von der Ukraine und/oder internationalen Organisationen als Aggressor anerkannt ist", "vorübergehenden Beschränkungen bei der Ausübung und dem Schutz der Rechte nationaler Minderheiten" unterliegen. Es ist klar, dass es Russen und russischsprachige Menschen sind, die sich hinter der komplexen Formulierung verbergen. Dazu gehören auch russischsprachige Ukrainer ‒ man wird ihnen ja nicht zur Feststellung, ob sie Russen sind, ihre Schädel vermessen. Mit anderen Worten: Russen wird nach Inkrafttreten des veränderten Gesetzes nicht nur das kleine Plus an Rechten, das den anderen Minderheiten wie ein Knochen einem Hund hingeworfen wird, vorenthalten, sondern es werden ihnen auch die wenigen anderen Rechte, die das Gesetz alter Fassung vorsah, entzogen.

Mehr noch: Auch nach dem Ende des Kriegszustands werden russischsprachige Bürger der Ukraine in ihren Rechten eingeschränkt ‒ und zwar nicht nur, bis die Werchowna Rada den Status Russlands als Aggressorstaat aufhebt, sondern darüber hinaus noch fünf Jahre danach.

Mit dem Gesetzentwurf wird den Russischsprachigen sogar der schwache und formale Schutz, den das zuvor verabschiedete Gesetz bot, offiziell entzogen. Während früher ihre Diskriminierung eine weit verbreitete, geduldete, aber ungesetzliche Angelegenheit war, wird sie mit der Verabschiedung der Gesetzesänderung gesetzlich vorgeschrieben.

Tatjana Montjan ist eine prominente ukrainische Rechtsanwältin und Strafverteidigerin, Publizistin und Bloggerin mit Millionenpublikum. 2004 noch auf der Seite des ersten Maidan, bezeichnete sie den Euromaidan im Herbst 2013 als Zerstörung der ukrainischen Staatlichkeit und stellte sich entschieden gegen diesen. Vor Beginn der russischen militärischen Intervention musste sie Kiew verlassen, nachdem sie vor der UNO über die Zustände in der Ukraine gesprochen hatte. Derzeit lebt sie im Donbass, engagiert sich für humanitäre Hilfe und führt tägliche Videoblogs. Man kann ihr auf ihrem Telegram-Kanal folgen. Ihr Kanal auf Youtube wurde im Frühjahr 2022 von dem US-Unternehmen gelöscht.

Mehr zum Thema - Ukraine eröffnet polnischsprachige Schulen – Die Sprache der Russen wird ignoriert

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.