International

Jeffrey Sachs: Washington erhöht ständig den Einsatz auf eine "verlorene Hand" in der Ukraine

Da sich die einst hochgelobte und vom Westen unterstützte ukrainische Offensive nun als kläglicher Fehlschlag erwiesen hat, vertritt der führende US-amerikanische Analyst Sachs die Ansicht, dass Washington nach 15 Jahren des Scheiterns in Osteuropa eine neue Außenpolitik braucht.
Jeffrey Sachs: Washington erhöht ständig den Einsatz auf eine "verlorene Hand" in der UkraineQuelle: AFP © Olivier Chassignole

Washington hat eine gescheiterte Außenpolitik in Osteuropa seit mindestens 2008 kontinuierlich eskalieren lassen und die Ukraine an den Rand der totalen Zerstörung getrieben, indem es nicht auf die legitimen Sicherheitsbedenken Russlands in der ehemaligen Sowjetrepublik einging, so der US-Analyst für öffentliche Politik Jeffrey Sachs.

"Die USA haben 15 Jahre lang in Folge ein schlechtes Blatt gespielt", sagte Sachs am Mittwoch in einem Interview mit dem unabhängigen Journalisten Glenn Greenwald. "Das ist wirklich wichtig zu verstehen, wenn man etwas über geopolitisches Pokern lernen will, nämlich, dass wir die Einsätze bei einem verlorenen Blatt immer weiter erhöhen."

Sachs, ein preisgekrönter Wirtschaftswissenschaftler, der die russische und die ukrainische Regierung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beraten hat, führte aus, wie Washington in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu verschiedenen Zeitpunkten einen militärischen Konflikt hätte verhindern können, ohne dass Kiew Territorium verloren hätte. Er wies darauf hin, dass Moskau von der NATO verlangt hatte, nicht vor seiner Haustür zu expandieren, was die US-Regierung nicht zulassen wollte.

Als der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch der Neutralität den Vorzug vor einer Annäherung an den Westen gegeben und einer Verlängerung des Pachtvertrags für den Marinestützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim zugestimmt hatte, hatte dies der US-Führung nicht ausgereicht, so Sachs. Die Mitarbeiterin des US-Außenministeriums Victoria Nuland "und ihre Freunde" hätten dann 2014 geholfen, die demokratisch gewählte Regierung in Kiew zu stürzen, was zum Verlust der Krim durch die Ukraine geführt habe, betonte er.

Schon damals hatte Russland nicht mehr Territorium verlangt. Vielmehr, so Sachs, hatte Moskau gewollt, dass die Ukraine den Beschuss ethnischer Russen in der abtrünnigen Region Donbass unterlässt und ihnen ein gewisses Maß an Autonomie gewährt. Diese Bedingungen waren in der Minsk-II-Vereinbarung enthalten gewesen, die vom UN-Sicherheitsrat einstimmig gebilligt worden war, aber US-Beamte hatten der ukrainischen Führung erklärt, dass sie sich nicht an die Vereinbarung zu halten brauchten, so der Analyst.

Im Dezember 2021 hatte der russische Präsident Wladimir Putin einen Sicherheitspakt vorgeschlagen, in dem der Westen sich verpflichtet hätte, die NATO nicht weiter zu erweitern und Verhandlungen über die Stationierung von US-Raketensystemen in Osteuropa zu führen. Die Antwort der USA war im Januar 2022 gekommen.

"Wir müssen nichts davon mit Ihnen diskutieren", fasste Sachs die damalige Haltung Washingtons zusammen. "Das war die Antwort. Wir müssen mit Ihnen nicht über die NATO diskutieren. Das geht Sie nichts an."

Nur drei Tage, nachdem die russischen Streitkräfte im Februar 2022 eine Militäroffensive gegen die Ukraine gestartet hatten, versuchte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij, den Konflikt zu lösen, indem er sich zur Neutralität verpflichtete, so Sachs. Als Selenskij jedoch einige Wochen später eine vorläufige Vereinbarung mit den Russen über eine Friedensregelung traf, torpedierte die Regierung von US-Präsident Joe Biden die Vereinbarung.

Washington habe seitdem 113 Milliarden US-Dollar an Hilfsgeldern für die Ukraine bewilligt und damit die Kämpfe verlängert, argumentierte der Analyst. Anfang dieses Jahres habe die Biden-Regierung Kiew zu einer großen Gegenoffensive gegen die russischen Streitkräfte gedrängt, die "eindeutig ein Ding der Unmöglichkeit war", so Sachs.

"Sie haben die Einsätze 15 Jahre lang auf verlorenem Posten erhöht und können es nicht schaffen", sagte der Wirtschaftswissenschaftler. "Und das ist unser Team. Sie haben versagt." Sachs fuhr fort:

"Wir brauchen ein neues außenpolitisches Team, und wir brauchen einen neuen außenpolitischen Ansatz, und wir müssen verhandeln, bevor die Ukraine völlig zerstört wird."

Sachs wies darauf hin, dass er und andere Beobachter das Ukraine-Debakel bereits in den ersten Tagen des Konflikts vorausgesagt hatten. "Dies war nicht schwer zu erkennen", sagte er. "Wie Sie sagten: Wie kann man Russland schlagen? Das war sehr offensichtlich. Diese Leute sind einfach nicht sehr schlau. Biden, Nuland, [der Nationale Sicherheitsberater Jake] Sullivan, [Außenminister Antony] Blinken – sie machen das schon seit 2014."

Im Rahmen der mit Spannung erwartete Offensivkampagne Kiews, die im Sommer gestartet worden war, wurden keine nennenswerten Siege errungen oder große Gebiete zurückerobert. Waleri Saluschny, der oberste ukrainische General, gestand kürzlich in einem Interview ein, die Kämpfe hätten eine "Pattsituation" erreicht.

Der Economist berichtete diese Woche, dass westliche Beamte "zunehmend glauben", dass der Konflikt weitere fünf Jahre dauern könnte.

Mehr zum ThemaLiveticker Ukraine-Krieg: Russische Artilleristen zerstören ukrainische Positionen bei Krasny Liman

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.