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Pepe Escobar: Russland und China unbeirrt auf dem Vormarsch

Während die Hunde des Krieges bellen, lügen und stehlen, zieht die Russland-China-Karawane weiter. Die strategische Partnerschaft zwischen Moskau und Peking stellt die westliche "regelbasierte internationale Ordnung" bereits an allen Fronten direkt infrage.
Pepe Escobar: Russland und China unbeirrt auf dem VormarschQuelle: Legion-media.ru © Xapaimages/TurkishxPresidency/Imago

Von Pepe Escobar

Das Jahr 2023 könnte für die Nachwelt als das Jahr der strategischen Partnerschaft zwischen Russland und China in die Annalen eingehen. Als passende Begleitmusik für dieses Wunder aller Wunder, könnte man sich leicht einen Groove von – wem sonst – Stevie Wonder vorstellen: "Hier bin ich, Baby. Unterzeichnet, versiegelt, geliefert. Ich gehöre dir." In den ersten elf Monaten des Jahres 2023 überstieg der Handel zwischen Russland und China 200 Milliarden US-Dollar. Man rechnete damit, dass dieses Volumen nicht vor 2024 erreicht werden könne.

Das ist sicherlich eine Partnerschaft im Klang eines Grooves. Unterzeichnet, besiegelt und überreicht während des Besuchs einer großen Delegation in Peking vergangene Woche, unter der Leitung des russischen Premierministers Michail Mischustin, der sich mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping traf. Das gesamte Spektrum der umfassenden Partnerschaft und strategischen Zusammenarbeit wurde noch einmal durchgegangen und – wo nötig – sogar nachgebessert. Komplettiert wurde das Ganze mit eine Reihe neuer, großer gemeinsamer Projekte. Gleichzeitig wurde im Hinblick auf das Große Schachspiel 2.0 alles, was bekräftigt werden muss, während eines ausführlichen Interviews von Dimitri Simes mit Außenminister Sergei Lawrow bekräftigt.

Man füge dem die sorgfältig strukturierte Analyse des Leiters des Dienstes für Außenaufklärung SWR, Sergei Naryschkin, hinzu. Darin hat er 2024 als "das Jahr des geopolitischen Erwachens" definiert und damit wohl die treffendste Formulierung der bevorstehenden, kosmischen Demütigung der NATO in den Steppen des Donbass gefunden.

"Auch im Jahr 2024 wird die arabische Welt die wichtigste Arena im Kampf um die Errichtung einer neuen Weltordnung bleiben."

Angesichts dieser detaillierten geopolitischen Feinabstimmung ist es kein Wunder, dass die imperiale Reaktion darauf entsetzt war – epidemieartig offenbart in langen, gewundenen "Analysen", die zu erklären versuchten, warum Präsident Putin sich als "geopolitischer Sieger" von 2023 herausgestellt hat. Warum er weite Teile der arabischen Welt und des globalen Südens auf seine Seite ziehen konnte. Wie er Seite an Seite gemeinsam mit China die BRICS-Staaten stärkte und die EU noch tiefer in eine schwarze Leere trieb, die sie sich selbst – zusammen mit dem US-Hegemon – geschaffen hat.

Putin erlaubte sich sogar, halb im Scherz, eine russische Unterstützung für die mögliche "Rückannexion" der einst von Stalin annektierten Grenzregionen der Ukraine anzubieten, um sie schließlich an die früheren Eigentümer Polen, Ungarn und Rumänien zurückzugegeben. Er fügte hinzu, dass er zu hundert Prozent sicher sei, dies sei das, was sich die Bewohner der noch immer ukrainischen Grenzgebiete tatsächlich wünschten. Sollte dies geschehen, würden wir die Unterkarpaten wieder bei Ungarn, Galizien und Wolhynien bei Polen und die Bukowina zurück bei Rumänien sehen. Man kann förmlich fühlen, wie die Hohen Häuser in Budapest, Warschau und Bukarest bereits im Morgengrauen rocken.

Natürlich besteht die Möglichkeit, dass der US-Hegemon den Junior-Punks der NATO den Befehl erteilt, russische Öltanker in der Ostsee zu belästigen und Sankt Petersburg zu "isolieren". Es versteht sich von selbst, dass die russische Antwort darin bestehen würde, einfach die Kommando- und Kontrollzentren auszuschalten – wofür Hackerangriffe durchaus ausreichen könnten. Elektronik im gesamten Spektrum durchbrennen lassen und die Balten in der Ostsee blockieren, indem man eine Übung zur Wahrung der "Freiheit der Schifffahrt" durchführt, damit sich jeder mit dem neuen Groove vertraut machen kann.

Die chinesisch-russische Fernost-Symbiose

Eines der beeindruckendsten Merkmale der erweiterten russisch-chinesischen Partnerschaft sind die Pläne für die nordöstliche chinesische Provinz Heilongjiang. Die Idee besteht darin, sie in ein Mega-Zentrum für Wirtschaft, wissenschaftliche Entwicklung und Landesverteidigung zu verwandeln, das sich rund um die Provinzhauptstadt Harbin konzentrieren soll und mit einer neuen, riesigen Sonderwirtschaftszone ausgestattet wird.

Der Schlüsselfaktor dabei ist, dass dieser Mega-Hub auch die Entwicklung des unermesslichen russischen Fernen Ostens koordinieren würde. Dies wurde im vergangenen September auf dem Eastern Economic Forum in Wladiwostok ausführlich besprochen. Im Rahmen einer einzigartigen, überraschenden Vereinbarung könnte den Chinesen gestattet werden, für die nächsten 100 Jahre ausgewählte Breitengrade des russischen Fernen Ostens zu verwalten.

Wie der in Hongkong ansässige Analyst Thomas Polin ausführte, veranschlagt Peking für das Ganze nicht weniger als zehn Billionen Yuan (1,25 Billionen Euro). Die Hälfte davon würde Harbin absorbieren. Der Entwurf des Plans wird im kommenden März dem Nationalen Volkskongress vorgelegt und voraussichtlich genehmigt, während er bereits vom Unterhaus der russischen Staatsduma genehmigt wurde.

Die Auswirkungen wären überwältigend. Man würde Harbin in den Status einer autonom verwalteten Stadt erheben, genau wie Peking, Shanghai, Tianjin und Chongqing. Und vor allem würde in Harbin ein chinesisch-russisches Managementkomitee eingerichtet, das die Überwachung des gesamten Projekts verantworten soll.

Führende chinesische Universitäten – darunter die Universität von Peking – könnten ihre größten Fakultäten nach Harbin verlegen. Die Universitäten für Nationale Verteidigung und Nationale Verteidigungstechnologie könnten mit der Universität für Ingenieurwesen Harbin fusionieren, um eine neue Einheit zu bilden, die sich auf die Verteidigungsindustrie konzentriert. Auch Hightech-Forschungsinstitute und Unternehmen aus Peking, Shanghai und Shenzhen könnten nach Harbin umziehen. Die Chinesische Volksbank könnte ihren regionalen Hauptsitz für Nordchina in Harbin errichten, komplett mit Märkten für den Handel mit Aktien und Rohstoffen. Einwohner von Heilongjiang dürften ohne Visa bestimmte russische Regionen im Fernen Osten bereisen. Die neue Sonderwirtschaftszone Heilongjiang würde ein eigenes Zollgebiet darstellen und keine Einfuhrzölle erheben.

In all dem steckt derselbe Geist, der die Verbindungskorridore der Belt and Road Initiative und dem Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (INSTC) zugrunde liegt. Der Grundgedanke ist eine umfassendere eurasische Integration. Beim jüngsten Treffen des Astana Clubs in Kasachstan, hielt der Forscher Damjan Krnjević Mišković, Direktor für Politikforschung an der ADA Universität in Baku, einen hervorragenden Vortrag über Verbindungskorridore. Er verwies zum Beispiel auf das C5+1-Treffen – die fünf zentralasiatische Staaten plus China – vor drei Monaten in Duschanbe, an dem auch der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew teilnahm. Das bedeutet übersetzt eine zentralasiatische-kaukasische Integration.

Mišković schenkte allem, was sich in der Region entwickelt, die er zu Recht als "Seidenstraßenregion" definiert, gebührende Aufmerksamkeit: Die Verbindung des euroatlantischen Raumes mit dem asiatisch-pazifischen Raum und die Verbindung von West- und Südasien mit dem weitläufigen Eurasien. Strategisch gesehen ist das natürlich die "geopolitische Kreuzung, an der die NATO auf die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) trifft und wo die Belt and Road Initiative mit der Türkei und dem Territorium der EU verbunden ist." In der Praxis wissen Russland und China genau, was getan werden muss, um die wirtschaftliche Konnektivität und "synergistische Beziehungen" in diesem riesigen Spektrum voranzutreiben.

Der Krieg der Wirtschaftskorridore spitzt sich zu

Die Fragmentierung der Weltwirtschaft polarisiert bereits die expandierenden BRICS-10. Diese konstituieren sich am 1. Januar 2024 unter russischer Präsidentschaft – und ohne Teilnahme des mit der Dollarisierung flirtenden Argentiniens oder der schrumpfenden G7. Der stellvertretende russische Außenminister Andrei Rudenko – ein wichtiger Akteur in Asien – bekräftigte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur TASS erneut, dass die Hauptmotivation für eine erweiterte Eurasische Partnerschaft – was offizielle russische Politik ist – darin besteht, die Eurasische Wirtschaftsunion mit der Belt and Road Initiative (BRI) zu verbinden.

Während Russland ein sorgfältig abgestimmtes Gleichgewicht zwischen China und Indien anstrebt, gilt dieselbe Motivation der Weiterentwicklung des INSTC, wo Russland, Iran und Indien die Hauptpartner sind und Aserbaidschan mit Sicherheit ebenfalls ein entscheidender Akteur werden wird. Hinzu kommen die erheblich verbesserten Beziehungen Russlands zu Nordkorea, der Mongolei, zum Mitglied der BRI und der SZO Pakistan sowie mit den Staaten der ASEAN, mit Ausnahme vielleicht des verwestlichten Singapurs.

BRI ist, wenn es auf das Wesentliche ankommt, auf dem Vormarsch. Ich war gerade drei Wochen in Moskau, Astana und Almaty und kann anhand mehrerer Quellen bestätigen, dass die Güterzüge in allen Verbindungskorridoren bis zum Rand voll beladen sind, sei es über die Transsibirische Eisenbahn, sei es über Astana bis nach Minsk oder über Almaty nach Usbekistan.

Julia Melnykowa, Programmmanagerin des Russischen Rates für Internationale Angelegenheiten, erklärte, dass "Moskau sich aktiver in Transitoperationen entlang der Route China – Mongolei – Russland integrieren könnte und auch sollte" und dass sich die Harmonisierung der Standards zwischen der Eurasische Wirtschaftsunion und China beschleunigen müsse. Ganz zu schweigen von weiteren Investitionen in die Zusammenarbeit zwischen Russland und China in der Arktis.

Präsident Putin stellte bei einem Treffen der russischen Eisenbahnunternehmen einen ehrgeizigen, massiven Zehn-Jahres-Plan zum Ausbau der Infrastruktur vor, der neue Strecken und eine verbesserte Konnektivität mit Asien – vom Pazifik bis zur Arktis – umfasst. Die russische Wirtschaft hat sich inmitten der westlichen Sanktionsdemenz definitiv nach Asien ausgerichtet, das mittlerweile für siebzig Prozent des Handelsumsatzes verantwortlich ist.

Was also in Zukunft auf dem Programm steht, reicht von der Modernisierung der Transsibirischen Eisenbahn und der Einrichtung eines wichtigen Knotenpunkts der Logistik im Ural und in Sibirien bis hin zur Verbesserung der Hafeninfrastruktur im Asowschen, Schwarzen und Kaspischen Meer sowie einem schnelleren INSTC-Frachttransit zwischen Murmansk und Mumbai.

Putin bemerkte kürzlich erneut, fast nebenbei, dass der Handel über den Suezkanal im Vergleich zur russischen Nordmeerroute nicht mehr als effizient betrachtet werden könne. Mit einem einzigen cleveren geopolitischen Schachzug, hat der Jemen dies verdeutlicht – für jeden sichtbar. Der russische Ausbau der Nordmeerroute verläuft in völliger Synergie mit den chinesischen Bemühungen, den arktischen Abschnitt der BRI zu entwickeln. Russische Öllieferungen nach China dauern über die arktische Route lediglich 35 Tage – zehn Tage weniger als über den Suezkanal.

Danila Krylow, Forscherin in der Abteilung für den Nahen Osten und das postsowjetische Asien, am Institut für wissenschaftliche Information und Sozialwissenschaften der Russischen Akademie der Wissenschaften, bietet einen einfachen Einblick:

"Ich betrachte die Tatsache, dass sich die USA gegen den Jemen engagieren wollen, als Teil eines großartigen Szenarios. Dahinter steckt mehr als nur der Wunsch, die Huthi oder Iran zu bestrafen. Dahinter steckt wohl eher der Wunsch, die Monopolisierung des Marktes zu verhindern und chinesische Exportlieferungen nach Europa zu behindern. Die USA brauchen einen funktionsfähigen Suezkanal und einen Korridor zwischen Indien und Europa, während die Chinesen das ablehnen."

Allerdings ist es nicht so, dass die Chinesen das ablehnen: Da die arktische Route in Betrieb ist, brauchen sie den Suezkanal schlicht und einfach nicht mehr. Zusammenfassend lässt sich sagen: Im anhaltenden, immer heftiger werdenden Krieg der Wirtschaftskorridore liegt die Initiative eindeutig bei Russland und China.

Einfrieren!

Das russische Außenministerium hat das Einfrieren russischer Vermögenswerte – nicht nur privater, sondern auch staatlicher Vermögenswerte – durch die EU als lupenreinen Diebstahl bezeichnet. Jetzt macht der russische Finanzminister Anton Siluanow deutlich, dass Moskau symmetrisch auf die mögliche Verwendung der Einnahmen aus diesen eingefrorenen russischen Vermögenswerten reagieren wird. Um Lawrow zu paraphrasieren: Sie beschlagnahmen, wir beschlagnahmen. Jeder beschlagnahmt.

Die Auswirkungen werden katastrophal sein – für den US-Hegemon. Keine Nation des globalen Südens, von der NATO einmal abgesehen, wird dadurch in Zukunft "ermutigt" sein, seine Devisen und Reserven im Westen zu parken. Das könnte dazu führen, dass der gesamte globale Süden das von den USA angeführte internationale Finanzsystem aufgibt und sich einer von Russland und China angeführten Alternative anschließt.

Die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China stellt die "regelbasierte internationale Ordnung" bereits an allen Fronten direkt infrage. Sie erweitert ihre historischen Einflussbereiche und entwickelt gleichzeitig aktiv riesige, miteinander verbundene Verbindungskorridore unter Umgehung dieser westlichen "Ordnung". Und das wiederum schließt einen direkten heißen Krieg mit dem Hegemon weitestgehend aus.

Oder um es mit einem Bonmot aus der Welt der alten Seidenstraße auszudrücken: Während die Kriegshunde bellen, lügen und stehlen, zieht die Russland-China-Karawane weiter.

Ersterscheinung in englischer Sprache bei Strategic Culture Foundation.

Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf X folgen.

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