Meinung

Grenzen deutscher Außenpolitik

Deutschland scheitert mit seiner Außenpolitik. Ziel ist es, die Unterwerfung unter die westlichen Ansichten zu erreichen. Das fördert international die Distanzierung von Deutschland. Unterstützt wird die Entwicklung durch den wirtschaftlichen Abstieg und durch zunehmende Risiken für Investoren.
Grenzen deutscher AußenpolitikQuelle: www.globallookpress.com © Kay Nietfeld

Von Gert Ewen Ungar

Es wird viel gereist in diesen Tagen. Bundeskanzler Scholz (SPD) reiste nach China, anschließend nach Vietnam und Singapur. Zuvor war er auf Besuch am Persischen Golf. Aktuell ist er in Indonesien auf dem G20-Gipfel. Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) besuchte Zentralasien. Auch auf dem Klimagipfel in Ägypten ist Deutschland präsent. 

Wer den deutschen Medien folgt, bekommt das Gefühl, Deutschland sei außenpolitisch ein wichtiger Player. Der Eindruck täuscht. Genauer betrachtet kommen die deutschen Spitzenpolitiker von ihren Reisen mit weitgehend leeren Händen zurück. Substanzielle Ergebnisse gibt es kaum. Hier eine Absichtserklärung, da eine Kooperationsvereinbarung. Wenig mehr als freundliche Worte.

Im Gegenteil wirken manche Vereinbarungen, die von der deutschen Presse als großer Verhandlungserfolg gefeiert werden, wie eine öffentliche Verhöhnung Deutschlands. Dazu zählt beispielsweise die Ankündigung von exakt 137.000 Kubikmetern LNG durch Dubai zur Lieferung im Dezember – einmalig, alles Weitere steht in den Sternen. Das wurde den Deutschen als Erfolg des Besuchs von Kanzler Scholz am Persischen Golf verkauft.

Der deutsche Gasverbrauch beträgt über 90 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Die Lieferung Dubais liegt angesichts des tatsächlichen Bedarfs im homöopathischen Bereich. Der Kanzler wurde für seinen "Gasdeal" von den großen deutschen Medien trotz der faktischen Irrelevanz gelobt. Medial ist Deutschland inzwischen in einer Parallelwelt gestrandet.

Gelobt wurde er auch für seinen Deal mit China. BioNTech wurde in China zugelassen, behauptete Scholz. Zwar zunächst nur für dort lebende Ausländer, man habe aber einen Fuß in der Tür. Man rudert inzwischen wieder zurück. Von baldiger Zulassung ist nicht mehr die Rede. Man sei im Gespräch. Mehr nicht. In deutschen Medien davon kein Wort. 

Auch Außenministerin Baerbock erzielt trotz feministischer Außenpolitik nach allen Regeln der weiblichen Kunst keine substanziellen Erfolge. Nach ihrem Besuch in Kasachstan hebt das Auswärtige Amt zwar eine Vereinbarung zu einer deutsch-kasachischen Partnerschaft im Bereich Wasserstoff und erneuerbarer Energien als großen Erfolg hervor, doch selbst die FAZ merkt dazu an, dass diese Partnerschaft wohl nichts bringen werde. Kasachstan setzt auf Öl und Gas, entwickelt daher kaum Ambitionen hinsichtlich von Infrastrukturprojekten im Bereich der erneuerbaren Energien.  

Der außenpolitische Bedeutungsverlust Deutschlands hat seine Ursache zum einen in den aktuellen geopolitischen Entwicklungen, aber auch im Auftreten Deutschlands. Da ist das unangenehme deutsche Moralisieren in Verbindung mit einer für zahlreiche Länder unerträglichen Heuchelei. Wenn es um LGBT und die Ermahnung anderer Länder im Hinblick auf Menschenrechte geht, ist Deutschland immer ganz vorne in der ersten Reihe mit seiner Kritik dabei. Aktuell tut sich Deutschland mit einem Boykottaufruf gegenüber der Fußball-WM in Katar hervor, dem Land, das vor Kurzem noch als Heilsbringer galt. Deutschland wollte mit Flüssiggas aus Katar seine Abhängigkeit von russischem Gas überwinden. Jetzt ist das Land aus deutscher Sicht plötzlich der letzte Abschaum. So schnell kann es gehen. Diese deutsche Launenhaftigkeit ist natürlich ein Problem, denn sie macht Deutschland unzuverlässig und wenig berechenbar. Heute fürs Gas umgarnt und morgen für eine andere Sicht auf Schwulenrechte verbrämt. 

Dass der deutsche Bundeskanzler nach dem Anschlag auf Nord Stream sich in Schweigen hüllte und die deutsche Politik plötzlich keinen klaren Satz zusammenstammeln konnte, ist ebenfalls nicht verborgen geblieben. Die von Deutschland zur Schau gestellte außenpolitische Stärke gibt es nur aus der Deckung des großen transatlantischen Bruders heraus. Tritt der selbst kräftig zu, was er bei Nord Stream wohl getan hat, dann verstummt das Gekläffe Deutschlands abrupt. Deutschlands Abhängigkeit wurde an Nord Stream für die Welt deutlich. Es ging dabei nicht um Russland.  

Bei all den Reisen wurde auch deutlich, worin das Ziel deutscher Außenpolitik in diesen Tagen besteht. Ziel deutscher Außenpolitik ist aktuell nicht, sich um Diplomatie zu bemühen und Kompromisse auszuloten. Ziel ist die kompromisslose Durchsetzung der westlichen und deutschen Sicht auf den Ukraine-Konflikt. Diese Kompromisslosigkeit wird selbstverständlich zur weiteren Erosion deutscher Bedeutung beitragen. 

Zwar sind deutsche Medien zuversichtlich, dass eine gemeinsame internationale Verurteilung des "brutalen russischen Überfalls" gelingen könnte. Es spricht jedoch wenig dafür, dass dies geschehen wird, denn das Einschwenken auf die westliche und deutsche Sprachregelung liegt nicht im Interesse anderer Länder. Im Gegenteil würde es bedeuten, dass sie von ihrem Weg zu mehr Souveränität und Unabhängigkeit vom Westen wieder abkehren. Diese Stärkung ihrer Souveränität wird durch westlichen Einflussverlust erst ermöglicht. Russland nimmt bei der Herausbildung einer multipolaren Weltordnung eine zentrale Rolle ein. Schon daher ist ein Umschwenken auf die enge und angesichts der Entwicklungen seit 2008 vor allem auch falsche deutsche Sicht des Ukraine-Konflikts nicht zu erwarten.

Mit dem Bestehen auf eine ahistorische Sicht auf die Abläufe, die zum Ukraine-Krieg führten, besteht Deutschland faktisch auf Unterwerfung unter das westliche Narrativ. Deutschland fordert nichts weniger als die Unterordnung unter eine verkürzte, ahistorische und unaufgeklärte Erzählung. Der Krieg hat eben nicht am 24. Februar 2022 plötzlich aus dem Nichts begonnen, sondern wurde über einen langen Zeitraum herbei eskaliert. Deutschland hatte an dieser Eskalation einen wichtigen Anteil. Diese Einsicht nun plötzlich zu leugnen wäre für die betroffenen Länder eine Unterwerfungsgeste, zu der obendrein kein Anlass besteht. Deutschland verfügt nicht über die Mittel seine Sicht gewaltsam durchzusetzen. 

Daher wird Kritik an der deutschen und westlichen Doppelmoral immer offener und offensiver vorgetragen. Wie der Blog German-Foreign-Policy schreibt, ist es gerade der Ukraine-Krieg, an dem für Länder außerhalb der westlichen Hemisphäre die Doppelstandards des Westens sichtbar werden. Das trifft auch Deutschland, das unter anderem für seine Flüchtlingspolitik kritisiert wird. Deutschland wird ein nach rassistischen Kriterien wählendes Zweiklassenrecht unterstellt. Es wird zudem für seine mangelnde Bereitschaft kritisiert, seine Verpflichtungen als Garantiemacht für Minsk 2 zu erfüllen. Hätte Deutschland sie erfüllt, hätte es den "brutalen russischen Angriffskrieg", wie ihn die deutsche Außenministerin nicht müde wird zu bezeichnen, nie gegeben. 

Es trifft aber auch für das von Deutschland angeführte Argument zu, Recht müsse Vorrang vor der Ausübung von Macht haben und es gelte die regelbasierte Ordnung zu beachten. Der Westen und mit ihm auch Deutschland hat bei einer Vielzahl von Gelegenheiten deutlich gemacht, dass er vor dem Einsatz von Macht zur Erreichung seiner Zwecke nicht zurückschreckt. 

Dazu gehört auch das westliche Sanktionsregime, das unter anderem die Politisierung westlicher Währungen umfasst. Auch dies ein Doppelstandard, an dem sich Deutschland ganz offen beteiligt und den es unterstützt. Allerdings führt auch dieser Schritt nicht zu mehr Vertrauen in die Verlässlichkeit Deutschlands, der EU und des Westens, sondern zur Erosion der wirtschaftspolitischen Macht Deutschlands. 

Zwar waren auch in der Vergangenheit Auslandsvermögen eingefroren worden – 10 Milliarden an afghanischem, 90 Milliarden an iranischem und 8 Milliarden Dollar an venezolanischem Vermögen. Das Einfrieren von 300 Milliarden Dollar an russischem Vermögen hat nun aber offenkundig die Grenze der Erträglichkeit überschritten. Der Westen hat mit seinem Sanktionsregime seine eigenen Währungen sabotiert. Mit den Finanzsanktionen hat Deutschland als Handelspartner an Attraktivität verloren. Hinzu kommt in Deutschland die Verstaatlichung von Gazprom Germania und der PCK, Betreiberin von unter anderem der Raffinerie in Schwedt. Auch dies ein Schritt, der Deutschland für Investoren unattraktiver macht. Deutschland ist unzuverlässig, eben kein Garant des Rechts. 

Die außenpolitische Strategie im Umgang mit Deutschland ist allerdings das Gegenteil von deutscher Konfrontation. Die leeren Hände von Scholz und Baerbock zeigen, die Strategie des Auslands im Umgang mit Deutschland ist seine Umgehung und Marginalisierung. Deutschland wird abgespeist. Mit Absichtserklärungen, mit 137.000 Kubikmetern Flüssiggas, mit substanzlosen Vereinbarungen. 

Korrigiert Deutschland seine Haltung nicht und besteht weiterhin kompromisslos auf die Absolutheit der deutschen Sichtweise, droht Deutschland die internationale Marginalisierung.

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