Meinung

Basarfeilscher Erdoğan, das türkische Volk und die freigelassenen Asow-Führer

Am Sonnabend wurde bekannt, dass die Türkei die vor einem Jahr zwischen Kiew, Moskau und Ankara geschlossene Vereinbarung rund um die Kapitulation des Asow-Regiments in Mariupol gebrochen und die internierten Führer der Nationalisten freigelassen hat. Der ukrainische Journalist Oleg Jassinski kommentiert den jüngsten Wortbruch von Recep Tayyip Erdoğan.
Basarfeilscher Erdoğan, das türkische Volk und die freigelassenen Asow-FührerQuelle: www.globallookpress.com © Ukrainisches Präsidentenbüro / Anadolu Agency

Von Oleg Jassinski

Ich weiß nicht, ob Erdoğan irgendwann versuchen wird, Russland für die Schmach des gestrigen Tages zu entschädigen, wie er es vor ein paar Jahren für das abgeschossene russische Flugzeug und den getöteten Piloten getan hat. Sicherlich wird dies, wie alles andere, was Erdoğan tut, ausschließlich von der Logik des Feilschens abhängen.

Auf dem Basar der russisch-türkischen Beziehungen gibt es weder Freunde noch Feinde, sondern nur listige Verkäufer, leckeren Kaffee und eine riesige Auswahl an notwendigem und überflüssigem Ramsch für Liebhaber preisreduzierter Exotik. Würde man auf jeden Trick eines orientalischen Händlers mit Groll oder Beleidigtsein reagieren, wären die Nervenzellen schnell aufgezehrt. Erdoğan ist nämlich weder Freund noch Feind, sondern genau das: Basarhändler, Feilscher, Trickverkäufer. Aber Allah sei mit ihm, nicht er ist das Problem. 

In der Geschichte des türkischen Urlaubs der Asow-Führer (ich erinnere diejenigen, die es vergessen haben, dass es nicht einfach gefangene Militärangehörige sind, sondern bewaffnete Naziführer, und dass Russland versprochen wurde, sie unter keinen Umständen freizulassen) wurden ohne Rücksicht auf langfristige Folgen Prinzipien einer schnellen und effektiven Lösung eines komplexen Problems geopfert. Es ist für sich genommen nicht verwerflich, Erdoğan für gute Zwecke einzuspannen. Aber bitte ohne ihn "Freund" zu nennen und nur nach 100-prozentiger Vorleistung seinerseits. 

Nun zur Hauptsache. Russische Rettungskräfte halfen nach dem schrecklichen Erdbeben im Südosten der Türkei bei der Trümmerbeseitigung und retteten Tausende von Menschenleben. Einige von Erdoğans Brüdern im Geiste in russischen sozialen Netzwerken stellen diese Hilfe heute in Frage und sagen:

"Der Türkei zu helfen ist ein Fehler, während sie hilft, unsere eigenen Leute zu töten."

Die Rettung von Menschenleben (vor allem von Zivilisten und, soweit möglich, auch von Militärs), seien es Russen, Ukrainer, Türken, Kurden, Israelis, Palästinenser, Amerikaner, Kubaner oder Angehörige eines beliebigen anderen Volkes, ist niemals ein Fehler. Sie ist die erste und oberste Pflicht aller zwischenstaatlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich bin sicher, dass die Retter, die in der Türkei tätig waren und Menschen aus den Trümmern befreiten, nicht an den türkischen Sultan gedacht haben, sondern an diejenigen, die ihre Hilfe brauchten. Ich bin mir ebenso sicher, dass sie, wenn nötig, jederzeit wieder helfen würden, ganz gleich, welche Bestie im betroffenen Land an der Macht ist.

Die Anstifter des gegenwärtigen Krieges gegen die Menschheit wollen, dass wir zur mittelalterlichen Praxis des Hasses zwischen Ländern und Kulturen zurückkehren und unsere Völker zu erbitterten Feinden werden. Das wäre die Gewähr für ihren Sieg über uns alle. Ich bitte Sie, unter keinen Umständen den riesigen Unterschied zwischen den Völkern und ihren Regierungen jemals zu vergessen.

Mehr zum Thema - Übergabe von Asow-Kämpfern durch die Türkei an die Ukraine – Kreml zeigt sich empört

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.