Meinung

Was macht die Ukraine mit Streumunition? Zivilisten beschießen!

Manchmal tut man in Kiew bei all dem antirussischen Rausch noch kurz so, als hätte man dort irgendwelche humanitären Bedenken – wie bei der Streumunition. Und tut danach gleich wieder so, als würde sie nicht so eingesetzt, wie die Ukraine so etwas eben einsetzt – gegen die Zivilbevölkerung.
Was macht die Ukraine mit Streumunition? Zivilisten beschießen!Quelle: www.globallookpress.com © imago stock&people via www.imago

Von Dagmar Henn

Es ist immer dasselbe. Egal, welche westlichen Waffen die Ukraine in die Hand bekommt, wenn sie sich gegen die Zivilbevölkerung einsetzen lässt, wird sie auch so eingesetzt. So war das von Anfang an, als die NATO-Munition vom Kaliber 155 Millimeter samt passenden Geschützen auftauchte. So war das mit den HIMARS-Raketen. Und so ist das jetzt auch mit der Streumunition. So wird es auch mit den deutschen Taurus-Marschflugkörpern sein, sollten sie geliefert werden.

Gestern wurde eine Molkerei in Gorlowka nahe Donezk beschossen, und es gab zwei Tote. Seit die neue US-Munition im Einsatz ist, steigt die Zahl der toten Zivilisten im Donbass. Und das, obwohl die ganze Zeit über weiterhin auch die Schmetterlingsminen niedergehen. Der Grund? Die Streumunition ist gegen das, was Militärs "weiche Ziele" nennen, am wirkungsvollsten. Sie hat gar nicht genug Wucht, um gegen Panzerfahrzeuge oder befestigte Stellungen zu wirken. Es ist eine Art Munition, die eigentlich gegen größere Infanterieverbände entwickelt wurde; das ist allerdings etwas, was es bei der gegenwärtigen Form der Kriegsführung am ehesten noch auf ukrainischer Seite gibt.

Aber selbst wenn diese Munition militärisch nützlicher wäre, würde sie dennoch auf den Donbass niedergehen. Das wirklich Unglaubliche daran ist, dass der gesamte kollektive Westen nach wie vor nichts davon wissen will, wie seine vielfältigen Geschenke tatsächlich verwendet werden. Nachdem es bei der Streumunition zumindest ein leichtes Maulen aus Deutschland gab, weil man schließlich eine Konvention unterzeichnet hat, die den Einsatz ebendieser Munition untersagt, hätte man wenigstens darauf hoffen können, dass dann auch über die Folgen ausnahmsweise einmal angemessen berichtet wird. Doch letztlich ist die Reaktion wie immer: Das reale Elend im Donbass wird weiter verschwiegen.

Der wirkliche Grund, warum die USA diese Munition an die Ukraine lieferten, war ja, dass dort von den anderen Granaten nicht mehr genug vorhanden waren. Dann hätten die Ukrainer womöglich keine Granaten mehr gehabt. Das hätte ein natürliches Ende dieses Kriegs bedeuten können. Und das durfte nicht sein, auf keinen Fall, da schickte man lieber eine Munition, die mindestens so bösartig ist wie die Schmetterlingsminen, deren Einsatz gegen Wohngebiete ebenfalls ein permanentes Kriegsverbrechen ist. Egal, wenn die Ukraine das macht, dann schaut man in die andere Richtung.

Wobei selbst das nicht einmal konsequent ist. Denn man sollte dann doch erwarten, dass man zumindest mit den Ukrainern vorsichtiger umgeht als mit den Bewohnern von Donezk, Gorlowka oder Jassinowataja. Das ist aber auch nicht der Fall. Kürzlich soll sich erst der ukrainische General Saluschny hinter der ukrainischen Grenze mit einem britischen Admiral getroffen haben, damit dieser ihm mitteilen konnte, die Ukraine solle sich nicht so haben beim Verheizen von Truppen und ordentlich Personal in den Süden schicken, um weiterzukommen bei Rabotino, dem ehemals 500-Seelen-Dorf, um das herum bereits an die 30.000 ukrainische Soldaten ihr Leben gelassen haben sollen.

Nur wird auch das nicht berichtet, nicht wirklich, selbst wenn zumindest in Großbritannien und den USA inzwischen in zunehmender Dichte Zweifel an der Offensive geäußert werden. In Deutschland wird immer noch so getan, als wäre die vorübergehende Einnahme eines zerschossenen Weilers der erste Schritt zum Sieg und der Zehntausenden wert, die dafür geopfert wurden.

Hätte man ein solches Ausmaß an Zynismus für möglich gehalten, vor zehn Jahren noch? Das passiert schließlich nicht auf einem anderen Kontinent; das sind Gegenden, die durchaus auch in deutschen Reisekatalogen zu finden waren. Und trotzdem, in der Wahrnehmung des wirklichen Geschehens fehlt die Empathie in einem Ausmaß, dass man fast glauben könnte, die geradezu hysterischen Unterstützungsbekundungen für Kiew müssten durch besondere Kälte ergänzt werden, damit der Gefühlshaushalt nicht aus dem Gleichgewicht gerät.

Wie wäre es, wenn die Bilder der Opfer, die die Streumunition im Donbass fordert, in der Tagesschau gezeigt würden? Klar, dieses Schweigen herrschte von Anfang an – bei Odessa, bei Mariupol, das erst auf der Landkarte aufzutauchen schien, als man dort Asow bejubeln konnte, bei der Bombardierung von Slawjansk, alles bereits 2014. Und es wurden dann wilde Geschichten erzählt – von Russen, die sich selbst beschießen. Aber das ist doch nicht in Stein gemeißelt, man kann immer noch das Verhüllte enthüllen, immer noch berichten, was wirklich geschieht, immer noch zu einer Sicht zurückkehren, die Raum lässt für Mitgefühl. Man könnte das an jedem einzelnen Tag.

Aber selbst wenn kurz protestiert wird, ist das pflichtgemäß, aber nicht aus echter Überzeugung. Hätte Deutschland nicht vor Jahren bereits die Konvention gegen Streumunition unterzeichnet, es wäre kein Ton zu hören gewesen, und es steht zu fürchten, dass die heutige deutsche Regierung eine solche Konvention gar nicht mehr unterzeichnen würde. Man hat kurz gemault, ein Häkchen dahinter gemacht und tut seitdem so, als ginge einen das Ganze nichts mehr an. Egal, wen es am anderen Ende der Flugbahn erwischt. Egal, ob eine Schule oder eine Klinik das Ziel ist.

Zugegeben, es ist konsequent. Schließlich war ja auch das Minsker Abkommen, das alle Toten der letzten achtzehn Monate und noch einige Tausend zuvor hätte verhindern können, von deutscher Seite nie ernst gemeint. Man hilft nicht so eifrig mit, eine Putschregierung zu installieren, deren einziger Vorzug darin besteht, als Rammbock gegen Russland nützlich zu sein, um dann mit so einem komischen Friedensabkommen einen Rückzieher zu machen. Nicht wahr, Herr Steinmeier? Es ist auch nicht allzu schwer, hart im Nehmen zu sein, wenn es nur Ukrainer und Russen sind, die in Stücke gerissen werden, Gliedmaßen verlieren oder ihre Kinder. Das wahre Gesicht des Krieges wird bestenfalls mal angedeutet, wenn es propagandistisch nützlich ist.

So war das schon vor Jahren. Niemand im Westen, der die offiziellen Medien konsumiert, hat je das Bild der Madonna von Gorlowka gesehen: einer jungen Frau, die zusammen mit ihrem Kind beim Beschuss umkam, auf einer Wiese, unter Bäumen, dort, wo man erwarten würde, das beide miteinander spielen. Auch nicht zuvor diese schrecklichen Aufnahmen aus Lugansk vom 2. Juni 2014, nach dem Luftangriff auf die Regionalverwaltung. Das, was ausnahmsweise einmal aus Kramatorsk gezeigt wurde, war die dort niedergegangene Totschka-U-Rakete im Frühjahr des vorigen Jahres, solange man behaupten konnte, die sei eine russische gewesen. Kaum kamen die Hinweise, dass es eine ukrainische Rakete war, verschwanden auch diese Bilder wieder.

Allerdings, selbst wenn nur die Realität auf ukrainischer Seite gezeigt würde, ungeschönt, würde es die Gefahr in sich bergen, dass allzu viele Menschen sagen, damit müsse Schluss sein. So war das während des Vietnamkriegs: die Berichterstattung erfolgte nur aus US-amerikanischer Sicht, und doch reichte auch das aus, dass sich viele dafür einsetzten, das Gemetzel zu beenden. Wie wäre damals die Reaktion gewesen? Der Krieg, der vor mehr als neun Jahren begann, ist für die Deutschen weitgehend körperlos; er hat kein Gesicht, keine Kontur, das Blut bleibt unsichtbar. Die Bruchstücke, die gezeigt werden, sind genau berechnet; auf vorübergehende Empörung, auf ein vorgegebenes Ziel.

Die Kinder, die jetzt von der Streumunition bedroht sind, die im Donbass aufwachsen, mussten ihr ganzes Leben lang mit dem Donnern der Geschütze leben, mit dem Vibrieren des Bodens, mit den immer wiederkehrenden Schäden an ihren Schulen und Kindergärten, mit der Gefahr selbst auf dem Spielplatz. Letztes Jahr erst mussten sie lernen, was Schmetterlingsminen sind. Vermutlich können sie Geschütze am Klang besser auseinanderhalten als Musikinstrumente. Das zu beenden, war einer der Auslöser der russischen Militäroperation.

Es wäre so viel billiger, leichter, menschlicher gewesen, einfach die Wahrheit zu berichten. Bei jedem einzelnen Schritt der Eskalation geht einem dieser Gedanke durch den Kopf. Die Ukraine darf nicht verlieren? Sie hat längst verloren, nicht nur militärisch, auch zivilisatorisch. Aber bei einem Stellvertreterkrieg ist es nicht nur der Stellvertreter, der beschädigt wird. Wenn Kiew dazu gebracht wird, immer weitere Grenzen zu überschreiten, wenn es zu Kriegsverbrechen ermuntert wird wie dem Einsatz von Streumunition gegen Wohngebiete, wenn ganze Jahrgänge der männlichen Bevölkerung für so etwas Nutzloses wie eine NATO-Mitgliedschaft ausgelöscht werden, dann sind es nicht nur die Ausführenden, die ihre Menschlichkeit verlieren. Es sind ebenso die Auftraggeber.

Und Deutschland kann seine Verantwortung nicht abstreiten. Solange es weiter Waffen und Geld nach Kiew schickt, trägt es einen Teil der Schuld. Denn ein lauwarmer, kurzer Protest gegen die Lieferung von Streumunition ist nichts wert, keinen Pfifferling wert, sofern dem nicht eine entsprechende Handlungsweise folgt. Es mag sein, dass die deutsche Regierung keinerlei Einfluss hat, was die USA in die Ukraine liefern. Aber was Deutschland in die Ukraine liefert, das entscheidet sie immer noch selbst, und auch, ob überhaupt etwas geliefert wird, seien es Waffen oder sei es Geld. In den Jahren, als der US-Präsident Donald Trump hieß, wäre es sogar möglich gewesen, die Beteiligung am Projekt Ukraine ganz zurückzuziehen oder Druck auszuüben, um die Minsker Vereinbarungen endlich umzusetzen. Es ist nicht passiert. Darum gehen selbst die Streubomben auch auf das deutsche Konto.

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