Meinung

Nordkorea: Ein Verbündeter eines neuen Typs

Entgegen den geläufigen Stereotypen stellt Nordkorea einen bedeutenden wirtschaftlichen und geopolitischen Faktor dar. Wird es Moskau gelingen, das Land in die Architektur einer neuen Welt einzubinden und die Energie dieses "Reaktorlandes" zur Entwicklung der eigenen Wirtschaft zu nutzen?
Nordkorea: Ein Verbündeter eines neuen TypsQuelle: Sputnik © Wladimir Smirnow

Von Nikolai Wawilow

Nordkorea, das im Verlauf der letzten Jahrzehnte und, ehrlich gesagt, auch heute noch nach abgedroschenen westlichen Stereotypen von Teilen der prowestlichen russischen Öffentlichkeit für "das Schlimmste, was die moderne Menschheit zu bieten hat", gehalten wird, stellt in Wirklichkeit einen überaus interessanten Partner und einen möglichen Katalysator der Entwicklung der russischen Wirtschaft dar.

Bevor wir mit einer Aufzählung von Nordkoreas Ressourcen beginnen, sei daran erinnert, dass die Bedingungen für die heutige Blutsverwandtschaft vor 70 Jahren geschaffen wurden, als Major Kim Il-sung, der Kommandeur eines koreanischen Partisanentrupps bei der sowjetischen Roten Armee, der sich durch große Erfolge beim Lernen von Russisch auszeichnete, zum Staatsoberhaupt wurde. Nachdem sein Nachkomme Kim Jong-un an die Macht gekommen war, wurde das Lernen der russischen Sprache im Land zu einem Massenphänomen, während Chinesisch – die Sprache des viel größeren Nachbarn von Nordkorea – als "zweite Fremdsprache" unterrichtet wird.

Nordkorea erkannte als erstes Land die Unabhängigkeit der Donezker und Lugansker Volksrepubliken und deren Beitritt zu Russland an. Dies bedeutet, dass das Land bereit ist, auch in Zukunft noch viel größere Schritte für eine Annäherung an Russland zu machen.

Sicher bemüht sich auch China um die Loyalität des jungen Kims. Allein in diesem Jahr besuchten zwei Mitglieder des chinesischen Politbüros Nordkorea: der stellvertretende Parlamentsvorsitzende Li Hongzhong und der für Landwirtschaft und Medizin zuständige stellvertretende Regierungsvorsitzende Liu Guozhong. Die Stabilität der koreanischen Regierung bedeutet auch eine geopolitische Stabilität Nordostchinas, das zu einem Aufmarschgebiet für US-amerikanische und japanische Truppen für eine Invasion aus dem Norden werden könnte. Doch damit enden auch die gemeinsamen Interessen der beiden Länder. Entgegen dem geläufigen Stereotyp, wonach China Nordkorea kontrolliere, ist es nicht so: China schloss sich Sanktionen gegen Nordkorea an, beschränkte den Export und Import eigene Waren und beobachtet die ballistischen Übungen des freiheitsliebenden Kims nicht ohne Spannung. In seinem großen geopolitischen Spiel zwischen den USA und China setzt Kim langfristig vor allem auf Russland als dritte Kraft.

Die Wirtschaften der beiden Länder – Russlands und Nordkoreas – könnten durch großangelegten Zuzug von Arbeitsmigranten nach Russland verbunden werden. Millionen von disziplinierten und verantwortlichen koreanischen Arbeitern, die die russische Sprache beherrschen und nicht nur gegen Lohn, sondern auch für einen Verbündeten und Garanten der Souveränität des eigenen Landes arbeiten, sind möglicherweise die Lösung des Problems des Arbeitskräftemangels nicht nur im Fernen Osten, sondern auch im europäischen Teil Russlands.

Je mehr sich Russland und Nordkorea annähern, desto mehr Möglichkeiten hat Russland, die eigene freundschaftliche Präsenz im Japanischen und Gelben Meer auszubauen und mehr Dialogpunkte mit dem großen Nachbarn China zu finden. Solche Verbündete lässt man nicht einfach links liegen.

Dennoch ist die Lage auf der Koreanischen Halbinsel beinahe schlimmer, als in der Taiwan-Straße. So legte in Südkorea zum ersten Mal seit 40 Jahren ein US-amerikanisches Atom-U-Boot an, Xi Jinping inspiziert die 78. Armeegruppe, zu deren Aufgaben die Eindämmung einer amerikanisch-japanischen Aggression gegen Nordkorea zählt. In diesen Tagen hält sich fast die gesamte chinesische Regierung in Harbin in der Nähe von Nordkorea auf, und möglicherweise hängt dies nicht allein mit einer Beseitigung von Flutfolgen zusammen.

Je näher ein Zusammenstoß zwischen China und den USA rückt, desto stärker kommen alte, nach dem Zweiten Weltkrieg ungelöste Probleme Taiwans und der Koreanischen Halbinsel zum Vorschein. Möglicherweise wird der dritte Weltkrieg ausgerechnet dort beginnen.

Betrachtet man die Vertreter der russischen Regierungsdelegation, die ausnahmslos alle wichtigsten Vize-Ministerpräsidenten umfasste sowie Kims Besuch von großen russischen Industriezentren im Fernen Osten, planen Russland und Nordkorea anscheinend, eine neue Epoche in ihren Beziehungen einzuläuten – in Bereichen der militärischen und der zivilen Industrie, Straßen- und Häuserbau, Hilfe für Nordkorea beim Bau von U-Booten und Satelliten.

Allem Anschein nach erhielt Russland einen neuen langfristigen Verbündeten, der sein Machtwort in Ostasien und der Welt noch sprechen wird.

Übersetzt aus dem Russischen.

Nikolai Wawilow, Jahrgang 1985, ist ein russischer Sinologe. Er beriet russische Unternehmen bei ihren Kontakten zu China, organisierte zahlreiche Treffen zwischen russischen und chinesischen Politikern und öffentlichen Persönlichkeiten und verfasste mehrere Bücher über China. Man kann ihm auf seinem Youtube-Kanal folgen.

Mehr zum Thema Kim und Putin stoßen auf die Freundschaft an: "Ein alter Freund ist besser als zwei neue"

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.