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Bayern-Wahlkampf: "Viele Fragen offen" und "keine Vorverurteilungen"? Kampagne beschädigt Aiwanger

Der Süddeutschen Zeitung ist gelungen, Zunder in die heiße Phase des bayerischen Landtagswahlkampfs zu bringen. Ihre Behauptung, Hubert Aiwanger habe das unsägliche Pamphlet verfasst, hat sich als falsch erwiesen. Trotzdem legen SZ und Mainstream nach.
Bayern-Wahlkampf: "Viele Fragen offen" und "keine Vorverurteilungen"? Kampagne beschädigt AiwangerQuelle: www.globallookpress.com © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Mit inquisitorischer Strenge verfolgen die Mainstream-Medien, angeführt von der Süddeutschen Zeitung (SZ), den Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Bayerns sowie Vorsitzenden der Freien Wähler, Hubert Aiwanger. Die Kampagne gegen den bodenständigen Politiker sorgt dafür, dass in Bayern "jetzt vieles ins Wanken" gerate, meint offenkundig befriedigt die SZ.

Bodenständig? Dem bayerischen Politiker attestiert die Wikipedia ausdrücklich: 

"Aiwanger spricht erstsprachlich einen ausgeprägten mittelbairischen Dialekt, der sich bei ihm im Hochdeutschen in einer regional gefärbten, niederbayerischen Umgangssprache niederschlägt, die kaum Dialektmerkmale enthält und no am standarddeutschen Wortschatz bleibt."

Der Aufhänger

Eine Kundgebung in Erding, auf der sich im Juni Hubert Aiwanger bajuwarisch-deftig an die Zuhörer wandte, wie es ein Franz Josef Strauß einst regelmäßig getan hatte, wurde ihm nun zum Verhängnis. Dieser Auftritt in Erding dient einer Presse als Aufhänger für substanzlose Verdachtsberichterstattung, die den Pressekodex und die Unschuldsvermutung hinter sich gelassen hat, wie es aus einem Interview der Welt mit dem Düsseldorfer Strafrechtler Udo Vetter hervorgeht.

Laut Focus nahm ein früherer Lehrer Aiwangers an dessen Auftreten in Erding Anstoß und soll Aiwanger sowohl bei dem aktuellen Direktor von Aiwangers früherem Gymnasium als auch bei der SZ denunziert haben. Demnach habe erst der Lehrer den "Skandal ins Rollen gebracht".

Wegen des, zugegeben, reichlich geschmacklosen Schüler-Pamphlets, das 1987 zusammengeschrieben wurde, und für das sich Aiwanger, damals 16 und nicht 17 Jahre alt, wie meist geschrieben wird, nun zu verantworten hat, wurde der bayerische Koalitionsausschuss von Ministerpräsident Markus Söder einberufen – 36 Jahre nach dem Vorfall an Aiwangers Schule.

Das Vorgehen der SZ ist alles andere als journalistisch sauber, sondern erfüllt alle Kriterien einer Schmutzkampagne, an der sich andere Mainstream-Medien und die Opposition beteiligen.

Noch bevor geklärt ist, was es mit dem Flugblatt tatsächlich auf sich hat, meint der Chefredakteur des Münchner Merkur, Georg Anastasiadis, einen "tiefen Fall" Aiwangers zu beobachten. Wie die meisten Mainstream-Zeitungen und -Portale spricht auch der Merkur von einer "antisemitischen Hetzschrift" – wobei zumindest unklar ist, was an dem widerwärtigen Flugblatt antisemitisch sein soll. Der Merkur betreibt Kampagnenjournalismus, indem er als "Sachstand", noch dazu als "weitgehend unbestritten", hinstellt, was vielmehr unklar ist.

"Gewiss, Aiwanger war damals noch Schüler. Doch von einem fast Volljährigen wäre doch eine Reife zu erwarten gewesen, die ihn davon abhält, mit Hitlerbärtchen an der Schule herumzustolzieren und widerwärtigste Ermordungsparolen zu verbreiten."

So fabuliert der Merkur, ebenso wie die SZ, von anonymen "Zeitzeugen", die sich heute aus "Sorge" an die Öffentlichkeit gewandt hätten, "dass sich der heute 52-jährige Aiwanger zurück zu seinen 'antidemokratischen Wurzeln' bewege". Aiwangers Kritik in Erding an der Berliner Politik und am Zustand der Demokratie verdreht der Merkur zu suggestiv-rhetorischen Fragen:

"Ist diesem Aiwanger zu trauen? Hat er sein menschenverachtendes Weltbild von früher wirklich überwunden?"

Verteidiger

Aiwanger erhielt unterdessen prominente Unterstützung vom deutsch-jüdischen Historiker Michael Wolffsohn, der sich in der Bild-Zeitung mit einem Gastkommentar für den bayerischen Vize-Ministerpräsidenten einsetzte und festhielt, dieser sei "bislang [...] nie durch irgendwelche antisemitischen Äußerungen" aufgefallen. Wolffsohn stellt fest:

"Ist jenes Flugblatt antisemitisch? Es ist menschenverachtend, aber ist es deswegen automatisch antisemitisch? Antisemiten machen Juden als Juden verächtlich. Sie fordern die Benachteiligung und sogar Ermordung. Kein Wort davon in diesem dreckigen Text. Merke: Nicht jeder Dreck ist zugleich antisemitisch."

Anonyme Denunzianten beabsichtigten, den "konservativen Aiwanger" und die Freien Wähler als "Nazis, und daraus abgeleitet, Antisemiten" abzustempeln. Die Gleichsetzung von konservativ mit "Nazi" und "Antisemit" sei "ahnungslos und verleumderisch". Und Wolffsohn über derlei Zuschreibungen weiter:

"Wer es dennoch tut, lasse uns Juden aus diesem miesen Spiel raus."

Der Historiker prangert die doppelten Standards an, die von Politik und Medien angewandt werden, wie der aufgebauschte Skandal um das Flugblatt zeige:

"Die hysterischen Aiwanger-Kritiker messen mit zweierlei Maß. Konservativen werfen sie jugendliche Dummheiten, Widerwärtigkeiten, Fehler oder Straftaten lebenslänglich vor und fordern noch Jahrzehnte später, also heute, Konsequenzen."

Als Beispiele führt Wolffsohn unter anderem den früheren Außenminister Joseph ("Joschka") Fischer (Bündnis 90/Grüne) und die SPD-Politikerin Sawsan Chebli an. Fischer, weil er im Alter von 25 Jahren einen Polizisten brutal zusammengeschlagen hatte. Chebli, weil sie in jugendlichen Jahren selbst antisemitisch eingestellt war, nun aber Aiwanger Antisemitismus per Twitter/X unterstellte. Zwar habe sie den betreffenden Post von ihrem Account inzwischen gelöscht, doch sei "entlarvend", dass sie für sich in Anspruch nehme, was sie für Aiwanger nicht gelten lasse.

Apropos SPD, gegen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verkneift sich Wolffsohn nicht die Spitze, auf einen Fehler in einem Tweet Lauterbachs hinzuweisen. Auch Lauterbach hatte sich eilig gegen Aiwanger gewandt und im Eifer von "Ausschwitz" getwittert. Dazu Wolffsohn:

"Weiß er nicht, dass man Auschwitz nur mit einem S schreibt?"

Aber auch die Süddeutsche selbst bekommt von dem deutsch-jüdischen Historiker ihr Fett ab. Was Juden angehe, habe die Weste der SZ selbst "dunkle Flecken", wie sich an einer veröffentlichten Karikatur Netanjahus zeige, "die sich nicht wirklich von den extrem antisemitischen Judenzeichnungen der Nazis unterschied".

In der Sonntagsrunde des Kontrafunks mit Burkhard Müller-Ullrich machten die Diskutanten auf den Umstand aufmerksam, dass das inkriminierte Flugblatt erstaunlich fehlerfrei und ordentlich getippt sei. Zudem fänden sich darin Begriffe wie "Erfüllungsort", deren Gebrauch durch Minderjährige, und seien sie auch Gymnasiasten, zumindest Erstaunen hervorrufen könne. Der Sonntagsrunde stieß – ähnlich wie Michael Wolffsohn – das Messen mit zweierlei Maß auf: Denn vergleichbare Äußerungen einer Sarah-Lee Heinrich (Bündnis 90/Grüne) seien nie einer ähnlich scharfen Kritik unterzogen worden, offenbar deshalb nicht, weil sie von einer Grünen kamen.

Bruder gesteht – Kampagne geht weiter

Was die Schreibmaschine betrifft, so hat die SZ inzwischen nachgelegt und, wenn auch hinter der Bezahlschranke, ein "Gutachten" präsentiert, mit dem nachgewiesen werden soll, dass die Schreibmaschine, auf dem das Flugblatt getippt wurde, dieselbe gewesen sei, auf der Hubert Aiwanger eine Facharbeit geschrieben habe. Die Maschine mag dieselbe gewesen sein, aber nicht zwangsläufig die Person, die sie benutzt hat.

Nachdem sich der Bruder Aiwangers, Helmut Aiwanger, am vergangenen Sonnabend gegenüber der Presse als Verfasser des Pamphlets zu erkennen gegeben hatte, gerät auch er in den Fokus der Öffentlichkeit. Bild breitet nun auch Einzelheiten aus seinem Leben aus, kommt aber über Helmut Aiwanger zum Schluss:

"Bayrisch bodenständig. Er ist nicht links, aber auch nicht rechtsradikal oder antisemitisch."

Die Passauer Neue Presse zitiert Helmut Aiwanger mit einer Erklärung dazu, wie die Flugblätter in die Schultasche seines Bruders gekommen seien: Der jüngere Aiwanger-Bruder habe deeskalieren und die Flugblätter wieder einsammeln wollen:

"Ich bin mir nicht mehr ganz sicher [...] Aber ich glaube, dass Hubert sie wieder eingesammelt hat, um zu deeskalieren."

Der Bruder des Vize-Ministerpräsidenten äußerte sich auch zu seiner damaligen Motivation, weshalb er das Pamphlet geschrieben habe.

"Ich habe das Schriftstück nicht erstellt, um Nazis zu verherrlichen, den Holocaust zu leugnen oder Hass und Gewalt zu schüren."

Vielmehr habe er damit seine Lehrer provozieren wollen – mit einer "stark überspitzten Form der Satire", die er heute als Jugendsünde bezeichnet. Helmut Aiwanger weiter:

"Ich schäme mich für diese Tat und bitte vor allem meinen Bruder um Verzeihung für die damals verursachten Schwierigkeiten, die auch noch nach 35 Jahren nachwirken."

Das Sitzenbleiben, die Konflikte zwischen Lehrerkollegium und Direktor, die soziokulturellen Reibereien zwischen (angeblich) "linken" Lehrern und Bauernkindern, all dies kommt nach Jahrzehnten wieder an die Öffentlichkeit. So werden nach bald 40 Jahren die unappetitlichen, aber mehr oder weniger alltäglichen, auch pubertären Querelen an einer niederbayerischen Schule von der SZ über die Zeit bis zur FAZ wieder aufgewärmt, in offenkundig denunziatorischer Absicht.

Und sogar der sonst gern vergessliche Bundeskanzler mischt sich in den bayerischen Wahlkampf zusammen mit den Grünen – und faktisch an der Seite Söders – ein, wie die Tagesschau meldet. Der stellvertretende Regierungssprecher erklärte demnach:

"Das muss aus Sicht des Bundeskanzlers auch alles umfassend und sofort aufgeklärt werden und müsste dann gegebenenfalls auch politische Konsequenzen haben."

Noch ehe die Vorwürfe geklärt sind, erscheint die Vorverurteilung Aiwangers perfekt – und eine Fortsetzung der Koalition von CSU und Freien Wählern so gut wie unmöglich.

Bleibt zum Schluss noch der Hinweis auf einen Videokommentar von Henning Rosenbusch, der auf eine Gemeinsamkeit aller nun so schrecklich Empörten aufmerksam machte:

Mehr zum Thema - Tod und Teufel: Prigoschin, Aiwanger und die Unschuldsvermutung

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