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Die zweite Front des Präsidenten Macron

Neben der Erwägung einer Entsendung von Truppen in die Ukraine knüpft Frankreich auch stärkere Verbindungen zu Armenien. Die militärische Zusammenarbeit der beiden Staaten soll auf Kosten Russlands verstärkt werden. Ein neuer antirussischer Brennpunkt im Südkaukasus könnte entstehen.
Die zweite Front des Präsidenten MacronQuelle: AFP © STEPHANIE LECOCQ

Von Sergei Strokan

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der die ganze Welt mit seinem Vorschlag, westliche Truppen in die Ukraine zu entsenden, in Aufregung versetzt hat, ist entschlossen, eine weitere Front gegen Moskau in einer weiteren strategisch wichtigen Region zu eröffnen. Die Ereignisse im Südkaukasus, wo eilig versucht wird, aus Armenien eine zweite Ukraine zu basteln, haben eine eigene innere Dramatik und drohen in einer neuen geopolitischen Explosion zu münden.

Einen solchen Schluss legen die Ereignisse der letzten Wochen nahe, die eine Kette von Ursachen und Wirkungen bilden.

In der vergangenen Woche kündigte Jerewan die Beendigung der Mission der russischen Grenztruppen am internationalen Flughafen Swartnoz an. Das Erstaunlichste daran war die Leichtigkeit, mit der die armenische Regierung dies tat.

Dabei zeigte sich das System des Schutzes der Grenze Armeniens zur Türkei und dem Iran seit sowjetischen Zeiten unverändert. Seit den ersten Tagen der Unabhängigkeit des armenischen Staates war die Präsenz der russischen Grenzschützer neben des in Armenien stationierten 102. russischen Militärstützpunktes ein wichtiger Bestandsteil bei der Gewährleistung der nationalen Sicherheit. Doch plötzlich sagte Jerewan "genug" und bedankte sich nicht einmal.

Alen Simonjan, der Sprecher des armenischen Parlaments, kritisierte sogar die russischen Grenzschützer und äußerte die Ansicht, dass ihre Präsenz die Landesgrenzen angeblich "verwundbarer" gemacht hätte. Parallel dazu bezeichnete der Sekretär des armenischen Sicherheitsrats Armen Grigorjan die schwerpunktmäßige Zusammenarbeit mit Russland als einen "strategischen Fehler". Damit begründete er die Entscheidung, Armeniens Mitgliedschaft in der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) auf Eis zu legen. Ihm zufolge funktioniert diese Zusammenarbeit inzwischen weder im armenisch-russischen Format noch im Rahmen der OVKS. Es stellt sich nun die Frage, was damit Frankreich und Macron zu tun haben? Sie ist leicht zu beantworten, denn die Antworten liegen auf der Hand.

Ende Februar besuchte Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan Paris. Er bezeichnete sein Treffen mit Präsidenten Macron als "wunderschön" und lud seinen französischen Amtskollegen Gabriel Attal nach Armenien ein. Gleich darauf kam Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu nach Jerewan. Während des Treffens mit ihm behauptete sein armenischer Amtskollege Suren Papikjan, dass es bei der militärischen Zusammenarbeit für Jerewan keine Tabus gebe. Auf die Frage, ob eine solche Zusammenarbeit nicht der Interaktion mit Russland entgegenwirke, antwortete Papikjan, dass dies Armeniens souveränes Recht ist und nur Jerewan entscheiden werde, mit wem es seine Beziehungen aufbaue.

An dieser Stelle sei hinzugefügt, dass gleich nach dem Besuch von Nikol Paschinjan in Paris beziehungsweise von Sébastien Lecornu in Jerewan ein Skandal ausbrach. Armenische Medien verbreiteten eine sensationelle Nachricht. Demnach vereinbarten die Geheimdienste Frankreichs und Armeniens, Aufklärungsdaten zu vier Ländern auszutauschen, nämlich Aserbaidschan, Iran, Russland und der Türkei.

Als wichtigsten Partner im Bereich der Sicherheit bezeichnet Jerewan inzwischen nicht Russland, sondern Frankreich – und tut es demonstrativ, trotz Macrons Vorschlag, westliche Truppen zum Kampf gegen Russland zu schicken.

"Frankreich liefert uns erstklassige Waffen", meldete jüngst zufrieden der Leiter des armenischen Sicherheitsrats. Generell ist die Bildung von Macrons zweiter Front, mit der er versuchen will, Russland aus dem Südkaukasus zu verdrängen, in vollem Gange.

Übersetzt aus dem Russischen.

Sergei Strokan ist Dichter, Journalist und Moderator von Talkshows auf staatlichen Fernsehsendern. Er wurde in der Ukraine in der Stadt Nowomoskowsk in der Region Dnjepropetrowsk geboren. Im Jahr 1982 schloss er sein Studium am Institut für Asien- und Afrikastudien der Staatlichen Universität Moskau als Orientalist-Philologe ab. Danach arbeitete er in der Asien-Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften, dann als Sonderkorrespondent für die Wochenzeitung Moscow News und auch als Leiter der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten der sozialen und politischen Zeitschrift Itogi. Derzeit ist er Kolumnist bei der Zeitung Kommersant.

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