Meinung

Warum das neue britisch-ukrainische Verteidigungsabkommen eine gute Nachricht für Russland ist

Das Abkommen mit dem Vereinigten Königreich, das die Ukraine angeblich im Kampf gegen Russland stärken soll, trägt in Wirklichkeit nicht dazu bei, die Chancen darauf zu verbessern. Stattdessen treibt das Team von Selenskij damit die eigene Nation weiterhin in Richtung völliger Vernichtung.
Warum das neue britisch-ukrainische Verteidigungsabkommen eine gute Nachricht für Russland istQuelle: www.globallookpress.com © Presidential Office of Ukraine

Von Sergei Poletajew

Seit Anfang der 1990er-Jahre ist die ukrainische Elite besessen davon, vom Westen Sicherheitsgarantien zu bekommen. Während die Regierungen in Kiew im Laufe der Jahre zunehmend den Konflikt mit Russland anheizten, versuchte man gleichzeitig auch, sich hinter dem Rücken der von den USA geführten NATO zu verstecken, in der Hoffnung, eines Tages der Allianz und der Europäischen Union beitreten zu können.

Dieses Vorgehen führte schließlich vor fast zwei Jahren zum Beginn der russischen Militäroperation. Die erste Phase endete mit Verhandlungen in Istanbul im März und April 2022. Diesen Vereinbarungen zufolge sollte Kiew Sicherheitsgarantien erhalten, solange es die von Moskau geforderten Bedingungen erfüllt. Frankreich, Großbritannien und die USA sollten als Garanten auftreten. Es ist noch nicht vollständig geklärt, warum die Verhandlungen scheiterten. Offenbar hatte Präsident Wladimir Selenskij ein Problem mit den zugesagten Sicherheitsgarantien. Berichten zufolge erwartete er, dass der Westen direkt in den Kampf gegen Russland einsteigen würde. Aber Boris Johnson, der zur selben Zeit als die Verhandlungen in Istanbul stattfanden Kiew besuchte, machte offenbar deutlich, dass weder er noch sonst jemand im westlichen Block dieser Vereinbarung zustimmen würde. Man erklärte sich jedoch bereit, die Ukraine weiterhin durch die Bereitstellung von Waffen und Geld im Kampf gegen Russland zu unterstützen.

Während des restlichen Jahres zeigten sich die Ukrainer voller Tapferkeit und Mut. Kiew betrachtete eine Niederlage der russischen Truppen als "beschlossene Sache" und verlautbarte, dass der Westen interessiert daran sei, sein Land in die NATO aufzunehmen, um von der angeblich immensen militärischen Macht der Ukraine zu profitieren. Selenskij behauptete zudem, dass die Ukraine selbst entscheiden werde, ob sie der NATO beitreten wird oder nicht – obwohl Sicherheitsgarantien einzelner Staaten möglicherweise eine bessere Option gewesen wären – und dass Kiew abwarten werde, was der Westen der Ukraine anbietet, um anschließend die eigenen Bedingungen zu formulieren. Offenbar störte es damals die ukrainische Elite nicht, dass sie nie wirklich zum NATO-Beitritt eingeladen wurde und der Westen es nicht eilig hatte, militärische Zusicherungen zu geben, selbst als die ukrainischen Streitkräfte auf dem Schlachtfeld gewisse Fortschritte zeigten.

Und so ging es dann weiter, bis zum Juli 2023, als in Vilnius der jährliche NATO-Gipfel stattfand, mitten in der lange zuvor angekündigten Gegenoffensive der Ukraine. Kiew erklärte umgehend, dass dieser Gipfel von historischer Bedeutung sei. Das Team von Selenskij ging davon aus, dass im Verlauf dieser Zusammenkunft die Aussicht auf einen Beitritt zur Allianz endlich klar wird – selbst wenn dies bedeutet hätte, jahrelang auf eine Mitgliedschaft zu warten oder die Krim und den Donbass aufgeben zu müssen. Die Ukraine war bereit, alle Bedingungen der NATO zu akzeptieren, nur um unter das begehrte Dach der Allianz zu schlüpfen. Auf dem Gipfel in Vilnius äußerten Vertreter der NATO jedoch lediglich einige unbedeutende Plattitüden und gaben der Ukraine den Rat, bilateral mit den Staaten der G7 einzeln zu verhandeln, um zu prüfen, welche Konditionen man der Ukraine anbieten könne.

Versprechen bedeuten keine Garantien

Sechs Monate später fuhr der derzeitige britische Premierminister Rishi Sunak per Bahn aus Polen in Kiew ein und unterzeichnete – zwischen den obligaten Selfies mit Zugbegleiterinnen – das erste Verteidigungsabkommen zwischen Großbritannien und der Ukraine.

Der Akt fand keine große Beachtung in der Öffentlichkeit und unter den Beobachtern, die sich dazu geäußert haben, gingen die Meinungen darüber deutlich auseinander. Die Gegenspieler von Sunak in Großbritannien bestehen darauf, dass es sich lediglich um eine PR-Show gehandelt habe – ein Versuch, seine sinkenden Zustimmungswerte nach oben zu treiben, die mittlerweile auf ein Rekordtief gefallen sind. In Russland nannten einige Beobachter den Vorgang ein bedeutungsloses Stück Papier, ohne das Dokument gründlich gelesen zu haben. Ukrainische Analysten erklärten ihrerseits das Abkommen zu einem wichtigen Meilenstein, einem epochalen Moment und lobten es als noch bedeutsamer als den tatsächlichen Beitritt zur NATO.

Das Abkommen ist in der Tat bemerkenswert und es lohnt sich, es sorgfältig zu lesen. Erstens wurde das Motto der vergangenen zwei Jahre – normalerweise im Namen der gesamten westlichen Koalition geäußert – buchstäblich in den Text des Abkommens übernommen:

"Das Vereinigte Königreich wird die Ukraine weiterhin so lange unterstützen, wie es nötig ist, damit die Ukraine sich effektiv selbst verteidigen kann."

Mit anderen Worten, es ist genau so, wie es Boris Johnson zuvor definierte: Wir werden nicht für euch kämpfen, aber wir werden alles tun, was wir können, um euch zu helfen.

Zweitens hält das Dokument fest, dass für die kommenden zehn Jahre – für die gesamte Laufzeit, in der das Abkommen Gültigkeit hat – keine territorialen Konzessionen anerkannt werden.

"Die Partner werden gemeinsam und mit anderen Partnern der Ukraine zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die ukrainischen Streitkräfte in der Lage sind, die territoriale Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen vollständig wiederherzustellen."

Zu den tatsächlichen Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs enthält der Text nur einen Punkt:

"Im Falle eines künftigen bewaffneten Angriffs Russlands gegen die Ukraine werden sich die Partner auf Wunsch einer der Partner innerhalb von 24 Stunden zu Beratungen einfinden, um die Maßnahmen festzulegen, die zur Abwehr oder Abschreckung der Aggression erforderlich sind."

Weiter heißt es darin: "Das Vereinigte Königreich verpflichtet sich, unter diesen Umständen und im Einklang mit seinen gesetzlichen und verfassungsmäßigen Anforderungen, der Ukraine rasche und nachhaltige Sicherheitshilfe und bei Bedarf moderne militärische Ausrüstung in allen Bereichen sowie wirtschaftliche Hilfe zu gewähren."

Die Höhe der künftigen Wirtschaftshilfe entspricht der aktuellen Militärhilfe des Vereinigten Königreichs an die Ukraine, die sich in den Jahren 2023 und 2024 auf 2,3 Milliarden bis 2,5 Milliarden Euro belaufen dürfte und respektive bei drei Milliarden Euro zu liegen kommt. Im Rest des Dokuments finden wir unverbindliche allgemeine Aussagen. Zum Beispiel, dass die Partner "gemeinsam an der Vertiefung der Zusammenarbeit ihrer Partnerschaft arbeiten und ihre langfristige Beziehung stärken werden und sich gegenseitig Rat geben und Unterstützung leisten". Ferner seien bedeutende Beiträge zu leisten und gemeinsame Arbeitsgruppen zu gründen – und bla, bla, bla. Das übliche technokratische Geschwätz in Form von höflichen, aber meist bedeutungslosen Worten.

Trotz des grundsätzlich unverbindlichen Charakters des Abkommens wird jedoch deutlich, dass die Ukraine in das Netz westlicher Einflussnahme und Kontrolle eingebunden wurde. Im Text des Abkommens heißt es praktisch, dass sich alle Aktivitäten des ukrainischen Staates um die Interessen des Vereinigten Königreichs drehen werden: Von der Verteidigungsindustrie über den zivilen und militärischen Sektor, in der Informationssicherheit, im Kampf gegen Korruption und das organisierte Verbrechen bis hin zur Regelung humanitärer Hilfe und vieles mehr, was die wirtschaftlichen Aspekte betrifft. Dies ermöglicht globalen Finanzinstituten und Konzernen praktisch einen unbegrenzten Zugang zur Ukraine.

Darüber hinaus sieht das Abkommen neben zahlreichen Reformen westlicher Prägung vor, "eine demokratische zivile Kontrolle der Streitkräfte als wichtigen Indikator für die Nichtpolitisierung der Streitkräfte sicherzustellen" – zu deren Durchführung sich die Ukraine verpflichtet hat. Dies sieht stark nach einem Versuch von Selenskij aus, die Unterstützung des Westens in seinem internen Machtkampf mit dem Generalstabschef seiner Armee, Waleri Saluschny, zu gewinnen.

Warum ist das wichtig?

Die Ukraine hat umgehend verlautbart, dass das Verteidigungsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Ukraine als Vorlage für ähnliche Abkommen mit anderen Ländern der G7 dienen werde, während Frankreich wahrscheinlich im kommenden Monat ein ähnliches Dokument unterzeichnen wird. Solche Abkommen werden eine rechtliche Richtlinie für die Ukraine-Politik des Westens bilden, was sich wie folgt umschreiben lässt: Die Ukraine wird zum Werkzeug des Westens. Und es sendet ein klares Signal an die Ukrainer selbst: Ihr seid unser Außenposten, unsere Waffe, unser Rammbock gegen Russland oder was auch immer, aber ihr gehört noch lange nicht zu uns. Wir werden uns wegen euch keinem Risiko aussetzen. Und unter dem Dach der NATO ist für euch kein Platz frei.

Russland seinerseits wird das Abkommen zwischen Großbritannien und der Ukraine wie folgt verstehen: Der Westen wird nicht nachgeben. Er wird Russland das Leben – "so lange es nötig ist" – schwer machen und versuchen sicherzustellen, dass die Ukraine am Leben bleibt, in seinem Stellvertreterkrieg gegen Moskau, sich jedoch nicht direkt in diesem Konflikt engagieren. Doch der Verlauf des Konflikts zeigt, dass die westliche Strategie am Scheitern ist. Die logistische Unterstützung im militärischen Bereich reicht nicht aus, die Ressourcen der Ukraine gehen zur Neige, ihre Armee wird zunehmend schwächer und kann Russland auf dem Schlachtfeld nicht besiegen. Das bedeutet, dass Kiew möglicherweise einen großen Zusammenbruch erleiden wird, lange bevor Russland vor ernsthaften Herausforderungen steht.

Wie bereits erwähnt, ist das Ziel Russlands zu verhindern, dass die Ukraine vom Westen als Rammbock missbraucht wird. Da es nicht zu einer gütlichen Einigung mit dem Regime in Kiew kommen kann – was für mindestens weitere zehn Jahre unmöglich sein könnte, falls andere Staaten dem Beispiel Großbritanniens folgen –, bleibt Moskau nur eine Option übrig: die Abwicklung des feindlich gesinnten ukrainischen Staates. Positiv an der Sache ist, dass das britisch-ukrainische Abkommen Moskau versichert hat, dass dies ohne allzu großes Risiko möglich sein wird, da der Westen nicht vorhat, direkt in den Konflikt einzugreifen.

Für die Ukraine sind das im Grunde genommen schlechte Nachrichten. Wenn das Regime in Kiew zumindest einen gewissen Weitblick hätte, insbesondere nach der Unterzeichnung eines so bedeutungslosen Abkommens, würde es versuchen, eine Art Dialog mit Moskau aufzunehmen, solange diese Option noch besteht. Doch stattdessen treibt das Team von Selenskij die eigene Nation weiterhin in Richtung völliger Vernichtung.

Aus dem Englischen.

Sergei Poletajew ist Mitbegründer und Herausgeber des Vatfor Project.

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